Wilder Ritt in Dortmund: Deutschland steht im Viertelfinale (2024)

Zwei nicht gegebene Tore, eine Unwetter-Pause und ein Elfmeter: Beim Achtelfinale gegen Dänemark war alles drin. Nach dem 2:0 ist Deutschland eine Runde weiter.

Die erste Überraschung kam schon eine Stunde vor Anpfiff des Achtelfinalspiels der deutschen Elf gegen Dänemark – und die ging auf das Konto von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Neben dem erwarteten Wechsel von Nico Schlotterbeck für den gesperrten Jonathan Tah rückten auch David Raum für Maximilian Mittelstädt und Leroy Sané für Florian Wirtz in die Startelf. Der unter der Woche angeschlagene Antonio Rüdiger hatte, wie angekündigt, noch rechtzeitig die Kurve bekommen und war fit geworden. Niclas Füllkrug, der gegen die Schweiz sein zweites Turniertor erzielt hatte, blieb hingegen auf der Bank, für ihn lief Kai Havertz in vorderster Spitze auf. Auch das Spiel geriet spektakulärer, als es der Spielstand von 2:0 für Deutschland vermuten lässt. Nach einem Spiel, das teilweise auf Messers Schneide stand, steht aber fest: Deutschland hat erstmals nach acht Jahren wieder ein K.-o.-Spiel bei einem Turnier gewonnen und steht im Viertelfinale dieser EM.

Die zuletzt von der deutschen Mannschaft sanft monierte ausbaufähige Unterstützung durch die Fans war in Dortmund von Beginn an da. Die gelbe Wand in Dortmund hatte sich für diese Partie in eine weiße Version verwandelt. Die Dänen, die zuvor mit einem Fanmarsch durch die Innenstadt ebenfalls für Stimmung gesorgt hatten, waren zahlenmäßig etwas im Hintertreffen, machten aber auch deutlich vernehmbaren Lärm im Stadion. "Wenn wir eine Einheit sind mit den Fans, sind wir schwer zu schlagen", hatte etwa Nagelsmanns Co-Trainer Sandro Wagner beim ZDF gesagt. Eben das sei in Dortmund gegeben, die Stimmung dort sei "noch einen Tick mehr".

Die Nationalmannschaft legte gegen Dänemark einen furiosen Start hin

Diesen Tick mehr wollten sichtlich auch die deutschen Auswahlspieler von Beginn an auf den Platz bringen. Die DFB-Auswahl legte los wie die Feuerwehr, drückte vom Start weg die Dänen in die Defensive – und nach vier Minuten schien es, als ob das Spiel seine Märchenstory bekommen würde. Nach einem Eckball köpfte Schlotterbeck – ausgerechnet er, der BVB-Profi mit der schwierigen DFB-Vergangenheit – den Ball ins Tor. Doch nach einem Block von Kimmich nahm Schiedsrichter Michael Oliver den Treffer zurück – eine harte Entscheidung, vor allem von einem Engländer. Der Unparteiische sollte seine kleinliche Linie aber über das gesamte Spiel durchziehen. Stichwort Kimmich: Der hatte zwei Minuten später die nächste Chance per Distanzschuss. Rüdigers langen Ball auf Havertz nahm dieser direkt, Keeper Kaspar Schmeichel klärte zur Ecke (10.). Dänemark kam kaum zu Entlastung. Die Führung der deutschen Elf – sie wäre nach dieser überfallartigen Startphase mehr als verdient gewesen.

Dass die Dänen aber schon aus wenig viel machen können, bewies ein langer Ball von Andersen auf Christian Eriksen: Antonio Rüdiger klärte in letzter Sekunde gegen den Spieler von Manchester United. Die Dänen wurden danach stärker, befreiten sich immer mehr aus der deutschen Pressing-Umklammerung. Das deutsche Spiel wurde hingegen deutlich fehleranfälliger. Gefahr brachte auch ein Freistoß von Eriksen von kurz außerhalb des Strafraums, der aber abgewehrt wurde (30.).

Ein heftiges Gewitter und Platzregen stoppten das Spiel für 20 Minuten

Dann der nächste, ganz große Auftritt in diesem Spiel: Nach einer halben Stunde rückte das erwartete Gewitter über Dortmund an – und wie. Platzregen, Blitz und Hagelkörner führten dazu, dass Schiedsrichter Oliver dem Spiel eine Pause verordnete. Rund zehn Minuten vor der Halbzeitpause verließen beide Teams den Rasen, das Spiel wurde unterbrochen. Einige dänische Anhänger nahmen es mit Humor und duschten sich unter dem Regen, der wie ein Wasserfall von der Dachkonstruktion des Stadions in den Innenraum prasselte. Die Fans nahmen es ebenfalls mit Humor und stimmten "Oh, wie ist das schön" an – die teutonische Variante des "always look on the bright side of life". Rund 20 Minuten dauerte die Unterbrechung – vielleicht nicht der schlechteste Zeitpunkt aus deutscher Sicht, denn Dänemark war zuvor am Drücker.

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Erneut kam die DFB-Auswahl besser aus der Pause. Nach einer Flanke von Raum köpfte Havertz den Ball aufs Tor und zwang Schmeichel zu einer Parade (37.). Kurz vor der Halbzeit dann die Rückkehr von "Bruder Leichtfuß" Nico Schlotterbeck: Im Strafraum vertändelte er den Ball, den sich Höjlund holte und aus kurzer Distanz nur das Außennetz traf – die beste dänische Torchance (41.). Der Schluss des ersten Durchgangs gehörte wieder den Dänen: Eriksens Steckball erreichte Delaney, der legte auf Höjlund quer. Hätte Neuer nicht alles riskiert – es wäre die Führung für die Skandinavier gewesen (45.).

Nach der Pause folgte der Schockmoment für Deutschland

Die schien kurz nach der Pause aber gefallen zu sein: Nach einem Eriksen-Freistoß herrschte im Strafraum der DFB-Auswahl Durcheinander. Joachim Andersen schoss auf Höjbjerg-Vorlage zum vermeintlichen Tor für Dänemark ein. Wegen einer hauchdünnen Abseitsstellung wurde der Treffer aber anerkannt (48.) – großes Glück für die DFB-Auswahl hier. Kurios: Wenig später stand der Profi von Crystal Palace erneut im Mittelpunkt – diesmal auf der anderen Seite. Eine Flanke von David Raum wehrte er mit der Hand ab. Klare Sache: Elfmeter. Kai Havertz, der schon gegen Schottland vom Punkt aus getroffen hatte, schoss zum 1:0 für Deutschland ein (53.). Was für ein Start in den zweiten Durchgang!

Wilder Ritt in Dortmund: Deutschland steht im Viertelfinale (5)

Kurz darauf der nächste Aufreger: Nach einer Großchance der Marke "100 Prozent" von Havertz (starker Steckpass von Raum, grandiose Ballannahme Havertz, schwacher Abschluss am Tor vorbei, 59.) zum zweiten deutschen Tor forderte die deutsche Bank einen Pfiff, weil Sané kurz vor dem Strafraum zu Fall gebracht wurde. Am Ende brachte es nur zwei Gelbe Karten ein – für den deutschen Co-Trainer Sandro Wagner und den Dänen Joakim Maehle.

Füllkrug kam nach einer Stunde ins Spiel, Musiala traf zum 2:0

Nagelsmann reagierte, brachte Füllkrug für Gündogan und Can für Andrich. Havertz rückte eine Etage nach hinten. Erst mal war aber wieder Neuer gefordert in dieser Partie, hielt gegen Höjlund die Führung fest (65.). Die Dänen suchten ihre Chance, spielten aggressives Pressing – und wurden kalt erwischt. Ein langer Ball von Nico Schlotterbeck erreichte den durchgestarteten Jamal Musiala. Der rannte Andersen davon, tauchte frei vor Schmeichel auf und schob zum 2:0 ein (68.). Eine Erlösung für die Mehrzahl der 62.000 in Dortmund, die daraufhin anstimmten: "Wir fahren nach Berlin." In der Hauptstadt findet am 14. Juli bekanntlich das Endspiel dieser Europameisterschaft statt. Dänemark riskierte alles, eröffnete den Deutschen Konterchancen – eine davon hätte Havertz beinahe zum 3:0 genutzt, doch Schmeichel hielt (90.).

Nun warten am Freitag in Stuttgart entweder der Außenseiter aus Georgien – oder die favorisierten Spanier, die alle drei Gruppenspiele gewannen und darin kein Gegentor kassiert hatten. Leichter wird es erst mal nicht zwingend, daran verschwendeten zumindest die deutschen Fans aber keinen Gedanken mehr nach dem Schlusspfiff.

Tore: 1:0 Havertz (53., Handelfmeter), 2:0 Musiala (68.) Zuschauer: 62.000

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